Ehemaliger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer nennt Mauerfall ein welthistorisches Ereignis
Aus der Volksstimme von Udo Mechenich
Über 80 geladene Gäste aus Politik und Gesellschaft kamen in die Halle nach Altenweddingen zur Feierstunde „30 Jahre friedliche Revolution“. Die Festrede hielt der frühere Ministerpräsident Wolfgang Böhmer.
Sülzetal l „Der Mauerfall war ein welthistorisches Ereignis“, sagte Böhmer in seiner Rede. „Wir haben das 1989 erlebt, ohne zu wissen, was es bedeutet“, begann Böhmer. Danach sei die innerdeutsche Grenze verschwunden und auch das Aufrüsten der beiden Blöcke habe ein Ende gefunden. Die DDR-Regierung sei auf alles vorbereitet gewesen, nur nicht auf Menschen mit Kerzen, so Böhmer. „Die Demonstrationen wurden immer größer. Es wurde immer deutlicher, dass sich etwas ändern muss. Mehr Menschenwürde, mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung – darum ging es uns.“
Mit seinem persönlichen Blick zurück, eingebettet in die welthistorischen Zusammenhänge, fesselte Böhmer die Zuhörer in der Festhalle. „Das es ein schwieriger Vorgang wird, wussten wir alle. Wie schwer aber, konnten wir uns alle sicherlich nicht vorstellen. Wir hatten alle das Bedürfnis, mitgestalten zu können. Wir wollten Demokratie. Wir wollten Verantwortung übernehmen.“
Auch Landtagspräsidentin Brakebusch erzählte ganz persönliche Erinnerungen aus der Wendezeit. Als sie 1974 ins Grenzgebiet umgezogen sei, habe sie prompt auch Probleme mit der Staatsgewalt bekommen. „Für mich war es unvorstellbar., wie präsent die Staatsgewalt dort war. Ich hatte richtig Angst davor.“
Ab Mitte der 80er-Jahre habe sie auch gespürt, wie die Tumulte in der DDR immer größer geworden seien, so Brakebusch. Wie ein Schneeball, der den Abhang runter rollt, habe das zugenommen. „Wir sind das Volk – nicht die Betonköpfe in Berlin‘, war unsere Parole.“ Heute rutsche das leider schon wieder in weite Ferne. „Angesichts der Unzufriedenheit müssen wir Politiker uns fragen, ob wir den Menschen genügend zuhören. Wir müssen zu den Werten zurück finden, für die wir auf die Straße gegangen sind.“ Auch der ehemalige Minister Karl-Heinz Daehre ermahnte die Zuhörer im Festsaal „Zivilcourage zu zeigen. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Alles muss angesprochen werden. Wir dürfen keine Angst haben“.
Für ihn fasst ein Satz die Ereignisse zusammen: „Was brennende Kerzen bewirken können. Das war schon ein bewegendes Bild, als wir ab September 1989 am Dom in Magdeburg demonstriert haben. Frieden und Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit.“
Für den Gastgeber des Abends, den Bürgermeister der Gemeinde, Jörg Methner, ist es entscheidend, dass „wir alle bei der Demokratie gefordert sind. Nur so kann ein richtiger Weg daraus werden. Wir haben uns alle nach Demokratie gesehnt und müssen sie nun auch erhalten, daran mitarbeiten, darüber reden. Entscheidend ist das aktive Engagement. Nur Mut und Zusammenhalt hat die friedliche Revolution ermöglicht.“
Für den CDU-Landtagsabgeordneten Guido Heuer „bedeutet dieser Abend sehr viel. Der Fall der Mauer ist das Symbol der Freiheit und des Endes der zweiten Diktatur in Deutschland.“ Im Saal war auch der Präsident des Landesrechnungshofes, Kay Barthel: „Wenn man bedenkt, dass 30 Jahre vergangen sind, ist das ein Grund inne zu halten.“
2010 war der Präsident des Landesrechnungshofes zu Gast bei der Weltausstellung in Shanghai. „Da wurden Bilder der Wiedervereinigung gezeigt, da hatte ich Tränen in den Augen. Das war ein Gänsehauterlebnis für mich.“
Der Ortsbürgermeister von Altenweddingen, Ingo Reichenbach, meinte, dass „der Mauerfall zeigt, dass wir uns jederzeit bewusst sein müssen, dass Demokratie nicht etwas ist, das verschenkt wird.“
Auch Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter betonte gegenüber der Volksstimme, dass er „schon 1986 in West-Berlin Veränderungen gespürt hat, und 1988 merkte man noch einmal eine Verstärkung. Wir hätten aber nie geglaubt, dass 1989 die Grenze aufgeht. Mann hätte vieles besser machen können, aber es ist immer noch eine große Leistung des deutschen Volkes, dass es so gelaufen ist.“