Salzlandkreis und Börde machen sich für die Öffnung von Gastronomie und Hotelwesen stark

Aus der Volksstimme von Christian Bersecke

Der Salzlandkreis und der Landkreis Börde stellen am heutigen Tag in Bernburg einen Lösungsvorschlag vor, der es ermöglichen soll, Gastronomiebetriebe und Hotels wieder zu öffnen. Dabei handelt es sich um eine App für das Smartphone, die den Gesundheitsämtern die Kontaktverfolgung erheblich vereinfachen soll. Vorgestellt wurde die Idee bei einem Arbeitsgespräch in Wanzleben.

Wanzleben | Die Idee klingt in den Ohren von Einzelhändlern und Gastronomen interessant. Die App „luca“ soll die Kontaktverfolgung, im Falle einer Corona-Infizierung, für die Behörden vereinfachen und dabei bietet sie einen besseren Datenschutz als die Zettelwirtschaft im zurückliegenden Jahr. Da hatten die Gastronomen noch Listen auslegen müssen, um die Daten ihrer Kunden zu erfassen, bevor ihnen ein Öffnungsverbot wegen der hohen Inzidenzzahlen auferlegt wurde. Das gilt bis zum heutigen Tag und eine Besserung ist nach den derzeit gültigen Beschränkungen nicht möglich.

Vier Monate Lockdown hätten die Stimmung bei den Geschäftsleuten und in der Bevölkerung auf den Tiefpunkt gebracht, meint Landrat Martin Stichnoth (CDU) bei dem Arbeitsgespräch im Wanzleber Rathauskeller. Gastgeber und Gemeinde-Bürgermeister Thomas Kluge (parteilos), CDU-Landtagsabgeordneter Guido Heuer (CDU) und Hotelier und Gastronom Roman Behrens aus Haldensleben bestätigen dies. Mit den drei Letztgenannten ist der Landrat gerade von einem Termin im Salzlandkreis zurückgekommen und sein erster Stopp war nicht rein zufällig in der Sarrestadt. „Einige Ortsbürgermeister in der Region haben gerade hier zuletzt ihrem Unmut über die derzeitige Situation Luft gemacht“, berichtet Stichnoth.

„Dabei haben sie den Stufenplan der Landesregierung kritisiert und klarere sowie realistische Ziele gefordert.“ Das hat auch der Landrat getan, und zwar in einer persönlichen Nachricht an den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU).

Vorgegebene Inzidenzwerte sind illusorisch

Die anfänglich vorgegebene Zahl von 35 im Inzidenzwert zur Öffnung der Gastronomie halten alle der beim Arbeitsgespräch in Wanzleben Versammelten für illusorisch. „Reiner Haseloff hat mir in seiner Antwort noch einmal persönlich versichert, dass wir in Sachsen-Anhalt von den Werten 50 bis 100 als Vorgaben ausgehen“, erzählt Stichnoth weiter. „Das ist ein Anfang, aber noch nicht genug.“ Zwar könne ein Landrat nicht primär etwas an den Vorgaben ändern, aber er könne Vorschläge und Initiativen befördern.

Genau das haben Stichnoth und sein Amtskollege Markus Bauer (SPD) aus dem Salzlandkreis nämlich getan. Bei einem Treffen am Freitag in Bernburg haben sich die beiden auf eine Initiative geeinigt, die die öffentliche Vorstellung der neuen App „Luca“ vorsieht. Diese wird heute um 11.30 Uhr im ehemaligen Parkhotel Bernburg – dem heutigen „SL’otel“ im Parforcehaus – als Pressekonferenz erfolgen. Die Veranstaltung präsentieren dort die beiden Landkreise im Verbund. Martin Stichnoth wird von Barleben aus per Video zugeschaltet.

„Ich bin überzeugt, dass die App einen Durchbruch in der Kontaktnachverfolgung bedeuten wird“, äußert sich der Landrat. Das findet auch der Hotelier Roman Behrens, der selbige in Bernburg als beratender Fachmann aus der Gastrobranche unter die Lupe genommen hat. „Für uns fallen die unhandlichen Papierlisten weg“, fügt er hinzu. „Die Sicherheit der Daten ist gegeben, da sie im Bedarfsfall nur dem Gesundheitsamt zur Verfügung gestellt werden.“ Ganz wichtig sei für ihn als Gastronom die klare Perspektive zur Wiedereröffnung. „Wir leiden unter der derzeitigen Situation“, sagt er. „Viele Geschäftsleute sind an das Ende ihrer Reserven gelangt. Können sie nicht bald öffnen, droht etlichen die Insolvenz.“ Das treffe nicht nur auf die Gastronomie zu, denn Wirtschaftsbereiche wie Brauer, Winzer und andere Zulieferer stünden vor ähnlichen Problemen.

Guido Heuer findet, dass zudem nicht stur der Inzidenzwert betrachte werden solle. „Es müssen auch andere Betrachtungen bei einer Öffnung mit klaren und verständlichen Vorgaben einbezogen werden“, bringt er vor. „Auf diese Weise sollte es möglich sein, dass beispielsweise die Jugendweihefeiern im April und Mai wieder stattfinden können. Und ja, natürlich auch in der Gastronomie in unserem Landkreis.“ Außerdem stelle er sich die Frage, was bei einem immer weiterlaufenden Lockdown mit der Wirtschaft passieren werde.

Die Menschen wollen Lösungen

„Die Arbeitslosigkeit steigt an, die Kurzarbeiterregel läuft bis Ende dieses Jahres und was kommt danach? Die Menschen wollen Lösungen“, bringt er vor.

Er und Stichnoth setzen auf die Impfung. So solle der zur Verfügung stehende Impfstoff nicht nur an bestimmte Arztpraxen gehen, sondern alle Ärzte mit einbezogen werden. „Dort haben wir die Experten, die absolut befähigt sind, die Impfungen fachgerecht durchzuführen“, betont der Landrat.

Thomas Kluge verweist darauf, dass auch die Vereine eine sinnvolle Perspektive bekommen müssen. „Dazu kommen der Einzelhandel, die Veranstalter und die Reisebüros. Für die beiden Letztgenannten geht ja seit Beginn der Krise gar nichts mehr“, hebt er hervor. „Die Menschen wollen Regelungen auch verstehen. Warum Buchläden geöffnet sind, Bibliotheken dagegen nicht, erschließt sich mir nicht. Zumal in Bibliotheken kein gewaltiges Besucheraufkommen auf einen Schlag herrscht.“ Auf dem Lande seien es die Menschen zudem eher gewohnt, Rücksicht zu nehmen und auch einmal vor einem Geschäft zu warten.

Stichnoth setzt sich zudem für landkreiseigene Regeln ein, die sich nach Inzidenzwerten richten könnten. „Schwerpunkte in gewissen Regionen können doch kein Grund dafür sein, ein ganzes Land danach auszurichten“, sagt er. Abschließend verweist er darauf, dass beispielsweise die Gastronomie im Landkreis Börde nie ein Corona-Hotspot gewesen sei. „Das ist noch ein Grund, hier endlich eine vernünftige Öffnungsperspektive anzustreben.“

Quelle: Wanzleber Volksstimme, erschienen am 08.03.2021, Seite 7