Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hört erstmals zwei Großspielerinnen an – und stößt an seine Grenzen
Von Maria Kurth | Wanzleber Volksstimme | 04.07.2020
„Ich verstehe nichts.“ Marie H. sitzt an diesem Freitag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der weiter versucht, Antworten rund um die Millionen-Zockereien in einer Lotto-Annahmestelle in Zerbst zu erhalten. Doch H. gibt immer wieder an, nichts zu verstehen. Mit jeder Minute wird das Kopfschütteln der Abgeordneten vehementer, die ironischen Lachfalten im Saal mehr.
Mit Sportwetten hat die Lottoverkäuferin 2018 rund 1,1 Millionen Euro bei Oddset-Wetten eingesetzt. Reingewinn: 171 739 Euro. Auch ihre ehemalige Mitarbeiterin Doreen P. soll in großem Stil an der Sportwette Oddset teilgenommen haben und knapp 53 000 Euro Gewinn erzielt haben. Die 47-Jährige hat aber ebenso wie H. bei der Befragung vor allem eine Antwort parat: „Ich möchte dazu nichts sagen.“ Später gab sie an, dass sie mit ihren Aussagen andere Personen belasten könne. Auf die Frage, woher das Geld für die hohen Spieleinsätze gestammt habe, antwortete die Frau nicht – und machte unter anderem CDU-Politiker Guido Heuer zunehmend ungeduldiger. „Ich lass’ mich ungern für dumm verkaufen. Wie können Sie nicht wissen, woher dieses Geld ist?“ Keine Antwort.
Mit ihrer Ex-Chefin habe sie sich „mit Händen und Füßen“ verständigt. Ein Vertriebsleiter von Lotto Sachsen-Anhalt erzählte von einem einstündigen Gespräch mit H. auf Deutsch, nur bei Fachbegriffen sei die Verständigung schwierig gewesen.
Kollektives Kopfschütteln im U-Ausschuss
In dieser Sekunde mussten mehrere Abgeordnete tief durchatmen. Doch es wurde noch skurriler: Der Vertriebsleiter wurde später gefragt, ob er in der Sitzungspause die Tschechin im Wartebereich erkannt habe. Die Frau also, mit der er ein einstündiges Gespräch geführt haben will. Reaktion: Langsames Schulterzucken. „Mmh, das war glaube ich die Frau mit den blonden Haaren, oder?“ Kollektives Kopfschütteln. Die Frau mit den blonden Haaren war Doreen P. – also nicht seine damalige Gesprächspartnerin.
Wie aus einem Prüfbericht der Firma SIZ hervorgegangen war, gehören die beiden Frauen zu einem Quartett, das 2017 und 2018 rund drei Millionen Euro Einsatz und einen Reingewinn von 394 127 Euro erzielt haben soll. Auch in in anderen Lotto-Geschäften in der Nähe waren sie aktiv.
Der Lotto-Laden in Zerbst war Ende Januar dieses Jahres geschlossen worden. Der U-Ausschuss geht verschiedenen möglichen Ungereimtheiten bei der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt nach.
Quelle: Wanzleber Volksstimme, erschienen am 04.07.2020, S. 2